Einen kleinen Moment
Rainer Kalesse im Interview mit Fachzeitschrift »küche & bad forum«, Mai 2017
Als Chefdesigner prägte Rainer Kalesse über 25 Jahre das Gesicht von Nolte Küchen. Anfang März hat er sich nun mit einem eigenen Büro für Designmanagement in Lemgo niedergelassen. Zu seinen Kunden zählen namhafte Unternehmen der Möbel- und Küchenindustrie. Im Interview erläutert der 55-Jährige seine Sicht auf Design in der Küche und spricht dabei über optische Leichtigkeit, Multifunktionalität und erhöhte Veränderbarkeit.
Worauf kommt es bei gutem Design an?
Rainer Kalesse: Wesentlich ist, eine Idee mit Konsequenz zu verfolgen und bei der Gestaltung eine einheitliche Linie durchzuziehen. Alles sollte am Ende miteinander in Einklang stehen. Dafür ist eine gewisse Konsequenz immer der Dreh- und Angelpunkt.
Was zeichnet für Sie die moderne, zeitgemäße Küche aus?
Rainer Kalesse: Generell durchlebt die Küche gerade eine relativ große Umbruchphase. In der Vergangenheit wurde alles immer großflächiger, kubischer und kantiger gemacht. Damit wurde der Raum – der übrigens immer noch durchschnittlich 8 bis 12 qm misst – formal immer distanzierter. Das Thema Distanz löst sich aber jetzt wieder auf. Das wird dadurch deutlich, dass mehr Form und auch Materialwechsel in der Küche Einzug halten. Zudem wird es deutlich multifunktionaler. Das heißt, die Möbel können immer mehr, sind veränderbarer und können am Ende auch mehr Ansprüche erfüllen. Gleichzeitig zeichnet sich die moderne, zeitgemäße Küche durch ihre optische Leichtigkeit aus. Schlanke Querschnitte sind beliebt.
Woran machen Sie das fest?
Rainer Kalesse: Schön zu sehen sind die schlankeren Dimensionen beispielsweise bei den Arbeitsplatten. Hier kommt heute oft die Vollkernarbeitsplatte oder das Material Swiss CDF zum Einsatz. Sie tragen der Filigranität Rechnung und bereichern das moderne Küchendesign. Die Arbeitsplatte ist dabei ein Riesen-Instrument, um auch die anderen Querschnitte der Küche ganz anders in Erscheinung treten zu lassen.
Welche Auswirkungen hat dies allgemein auf die im Trend liegende Wohnküche?
Rainer Kalesse: Die Küche öffnet sich deutlich – nicht nur zum Wohnraum hin. Das Regal nimmt einen ganz anderen Stellenwert ein. Es kommt vermehrt in der Küche zum Einsatz und schafft so eine Verbindung. Durch den Einsatz anderer Materialien gibt es zudem Möglichkeiten, interessante und schmale Optiken in der Küche zu erzeugen – weg von den eine gewisse Anonymität ausstrahlenden, geschlossenen Flächen. Es wird alles deutlich lebendiger.
Was ist in der Wohnküche wichtiger – Funktionalität oder Design?
Rainer Kalesse: Beides muss im absoluten Einklang miteinander stehen. Es gibt keine Prioritäten, denn das eine baut auf dem anderen auf. Funktionalität im Sinne von Veränderbarkeit nimmt jedoch eine immer größere Bedeutung ein. Hier tut sich beispielsweise im Beschlagsektor einiges, um ganz andere Funktionalitäten überhaupt zu ermöglichen.
Welche heute schon absehbaren Trends werden das Küchendesign in den nächsten Jahren bestimmen?
Rainer Kalesse: Neben den bereits genannten Punkten wird es noch wohnlicher und authentischer werden. Die Schaffung einer individuellen Wohlfühlatmosphäre wird immer wichtiger.
Welche Rolle werden smarte Features spielen?
Rainer Kalesse: Die Digitalisierung wird natürlich auch die Küche verändern – auch im Design. Allerdings sollte das Thema nicht überbewertet werden. Ich möchte da ein Beispiel aus dem Beschlagsektor anführen: Das elekronische Öffnen der Auszüge hat sich nicht wirklich durchgesetzt. Das war zu viel Hightech. Push-to-open-Lösungen finden hingegen einen großen Zuspruch. Wenn der Küchenkäufer mehr Geld ausgeben soll, muss es schon ein echter Mehrwert sein. Ähnlich lässt sich das auf die Digitalisierung herunterbrechen.
Herr Kalesse, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.